Allein und verloren im endlosen Meer. Um mich herum nichts als eisiges Wasser, eine riesige, leere, graue Fläche. Ein Sturm zieht auf, die Wellen tosen immer heftiger und es wird Nacht.
Natürlich treibe ich nicht wirklich in der eiskalten Nordsee, sondern stehe – festen Boden unter meinen Füßen – im Wrack- und Fischereimuseum Windstärke 10 in Cuxhaven. Aber im Ausstellungsbereich Unter Wasser, in dem es um tragische Schiffsunglücke geht, wird die Not von Schiffbrüchigen derart drastisch dargestellt, dass mir angst und bange wird. Etwa mittels einer beeindruckenden 360-Grad-Projektion der endlosen See. Die Geschichte des Matrosen Adolf Neumann, der als einziger den Untergang des Kleinen Kreuzers SMS Cöln im Ersten Weltkrieg überlebte, dient hier als Grundlage, um den Besucher zumindest für einen kleinen Augenblick die Verzweiflung spüren zu lassen, die Menschen in Seenot befallen muss. Neumann trieb übrigens 76 Stunden im Wasser, bevor er gerettet werden konnte … eine endlos lange Zeit!
Die Not von Schiffbrüchigen wird derart drastisch dargestellt, dass mir angst und bange wird.
Nicht weniger eindrucksvoll ist im Raum gleich nebenan der Untergang der Cimbria vor Borkum 1883 dokumentiert, eines Transatlantikliners mit über 400 Auswanderern plus Besatzung an Bord. 437 Menschen starben – die bis dahin schwerste Schiffskatastrophe überhaupt. Von der Cimbria stammt auch eines der eindrucksvollsten Ausstellungsstücke im Wrack- und Fischereimuseum Windstärke 10: die riesige Ersatzschiffsschraube, die gespenstisch aus dem Halbdunkel auftaucht.
Wirklich berührend sind aber die eher alltäglichen Gegenstände, die die Wracktaucher vom Meeresboden bergen und die Geschichten der verloren gegangenen Schiffe, ihrer Besatzung und Passagiere erzählen: Schuhe und Strümpfe, zerbrochene Tassen und Teller, über Bord gegangene Ladung. Die Nordsee ist mit ihren Küsten nicht nur ein schönes Urlaubsziel, sie ist auch grausam und unbarmherzig, ein riesiger Schiffsfriedhof, ein kaltes Grab für unzählige Menschen.
Fischerei hautnah erleben im Wrack- und Fischereimuseum Windstärke 10
Und die See ist wirtschaftliche Existenzgrundlage für zahllose Menschen, vor allem natürlich für die Fischer, die mit ihren Fischdampfern auf Fangfahrt gehen. Seit Dezember 2013 ist das komplett barrierefreie Wrack- und Fischereimuseum Windstärke 10 unmittelbar im Fischereihafen Cuxhaven in zwei ehemaligen, großen, leicht bogenförmigen Fischpackhallen aus den 1930er-Jahren untergebracht. Das sorgt für Platz und eine authentische Atmosphäre, zumal noch an einigen Stellen die alte Ausstattung erhalten blieb.
Der Fischfang auf hoher See, Leben und Arbeit an Bord eines Fischtrawlers und die anschließende industrielle Verarbeitung des Fangs noch im Schiff sind zentrale Ausstellungsbereiche im Wrack- und Fischereimuseum Windstärke 10. Anhand von Modellen wird die Entwicklung der Hochseefischerei nachgestellt bis hin zu den riesigen schwimmenden Fischverarbeitungsbetrieben.
Zu viel Kritik an den Fangmethoden sollte man nicht erwarten
Allzu viel Kritik an den Fangmethoden der Hochseefischerei sollte man in diesem Museum, das der Fischerei gewidmet ist, in einer Stadt, die zum großen Teil von der Fischerei lebt, nicht erwarten. Sehr viel aussagekräftiger finde ich daher den Bereich Auf Fangfahrt, der sich mit dem Leben an Bord beschäftigt. Er zeigt die Enge der Kojen, führt in die Aufgaben eines Funkers ein und lädt zum Netzestricken ein. Ich erfahre, wie Arbeiter und Kapitäne auf Fischdampfern bezahlt werden, wie sie Fischschwärme im Nordatlantik aufspüren und wie gefährlich die Arbeit an Bord war und ist. Augenzeugenberichte von ehemaligen Fischer, Fotos und Filmeinspielungen ergänzen die Ausstellungsstücke. Das ist gut und eindrücklich gemacht.
Buddelschiff und Lotsenhaus
Deutlich ruhiger und weniger aufregend sind die weiteren Ausstellungsbereiche: die Buddelschiffausstellung, die eher in die Kategorie „kurios“ fällt, der Lotsenraum, der in die Arbeit der Wegweiser auf dem Wasser einführt, und der kleine Bereich, der demonstriert, wie der Fang an Land verkauft, weiterverarbeitet und weitertransportiert wurde.
Das Wrack- und Fischereimuseum Windstärke 10 ist als besonders kinderfreundliches Museum ausgezeichnet.
Das Wrack- und Fischereimuseum Windstärke 10 ist als besonders kinderfreundliches Museum ausgezeichnet und das zu Recht. In fast allen Räumen und Bereichen gibt es Angebote, die sich auch und besonders an die kleinen Besucher richten, etwa den Taucherhelm zum Ausprobieren bei den Wracks oder das Abhören einer Nachricht, bei dem sich jeder einmal als Funker ausprobieren kann. Ein Raum ist dauerhaft für Kinder eingerichtet und auch die Fläche für Wechselausstellungen wird immer wieder für kindgerechte Angebote genutzt.
Den derzeitigen Eintritt von 9,50 Euro pro Erwachsenem (Stand Mai 2022) finde ich leicht überzogen, Familien mit bis zu vier Kindern zahlen allerdings nur 19 Euro, das ist dann schon angemessener. Einen Besuch wert ist das Wrack- und Fischereimuseum Windstärke 10 aber in jedem Fall.
Öffnungszeiten, aktuelle Ausstellungen und Veranstaltungen:
Website des Wrack- und Fischereimuseums Windstärke 10
Anschrift:
Ohlroggestraße 1
27472 Cuxhaven
Das ist sicher ein interessantes Museum. Wir mögen Museen, in denen man etwas über die Lebensweise in bestimmten Regionen erfährt. Danke für den Tipp.
Sehr gern. Die vorgestellte Lebensweise hier ist ziemlich mobil, es geht viel um das Leben an Bord eines Fischerboots. Das ist sehr spannend.
Gruß Cordula
Meine Tochter und ich verbrachten 3 Std. Im Museum und haben längst nicht alles sehen können. Es ist sehr beeindruckend zu erfahren, welche Gefahren das Leben und der Fischfang auf dem Schiff mit sich bringt.
Ja, ich fand das Museum auch sehr beeindruckend. Danke für deinen Kommentar.