Weites, flaches Land, kleine Wasserläufe, Flüsse und Seen, grüne Wiesen und Obstbaumalleen – immer wenn ich mit dem Zug von Hamburg nach Cuxhaven unterwegs bin, erwacht in mir der Wunsch, mir die schöne Landschaft im Cuxland genauer anzusehen. Also mache ich mich auf den Weg: in drei Tagen mit dem Fahrrad von Bremervörde an die Küste. Ganz gemächlich – eine echte Genießertour eben!
Am ersten Tag fahre ich immer an der Oste lang von Bremervörde nach Hechthausen, das sind laut Google gerade einmal knapp 30 Kilometer, wenn man sich immer möglichst nah an der Oste bewegt. Mit dem Fahrrad also mehr als locker an einem Tag zu schaffen. Allerdings hält sich der Genuss des Radwanderns an diesem Tag durchaus in Grenzen: Es ist trübe und die meiste Zeit feucht, ich habe viel Gegenwind und am Nachmittag fängt es auch noch an zu regnen, sodass ich pitschnass in meinem Hotel in Hechthausen ankomme. Kann passieren, wenn man nachhaltig draußen mit dem Fahrrad unterwegs ist. Ist das schlimm? Nö, überhaupt nicht, eher lustig. Ich weiß ja, dass am Ende ein warmes Hotelzimmer und eine heiße Dusche auf mich warten.
Radeln an der Oste heißt: Natur satt
Zu meinem Startpunkt Bremervörde reise ich sehr bequem und preiswert mit der Bahn in knapp zwei Stunden an, rolle vom Bahnhof aus durch die beschauliche Innenstadt und mache mich sofort auf den Weg in Richtung Fluss. Schließlich will ich Natur sehen. Und die bekomme ich in den nächsten Tagen reichlich!
Kaum habe ich die Innenstadt Bremervördes verlassen, lande ich auch schon am großen Vörder See, ein 50 Hektar großes Gewässer mit tollem Freizeitangebot: Tretbootfahren, Angeln, Segeln, Rudern, Surfen – der See ist ein Paradies für Wassersportler. Und für Naturfreunde, denn das Ufer ist dicht und grün bewachsen. Enten schnattern auf dem Wasser, Fische schwimmen vorbei und wer genau hinschaut, entdeckt am Ufer den einen oder anderen Frosch oder eine Libelle.
Meine Wegbegleiter: Greifvögel und Störche
Am Ende des großen Sees gelange ich dann zur Oste. Sattes Grün umgibt mich auf den nächsten Kilometern. Links von mir liegen Felder, Bäume und Büsche, ein nasses, mooriges Land, das von Entwässerungsgräben durchzogen ist. Über mir kreist ein Greifvogel und im Feld nebenan staksen zwei Störche auf der Suche nach Nahrung umher.
Zu meiner Rechten fließt die Oste, der längste Nebenfluss der Elbe in Niedersachsen. Sie entspringt im Landkreis Harburg und mündet in der Nähe des Orts Belum im Kehdinger Land in die Elbe. Es ist gerade diese Nähe zu meiner Heimat- und Wohnstadt Hamburg, die mich an dieser Radtour gereizt hat: Losfahren und gleich darauf im Urlaub sein – das kenne ich noch aus meiner Kindheit, in der meine Eltern regelmäßig mit mir im Harz auf Kurzurlaub waren.
Von der Oste selbst sehe ich zunächst recht wenig, der Fluss versteckt sich hinter dem Deich, den ich erst hochklettern muss, um ein Foto machen zu können. Gemächlich fließt das Wasser durch das flache, stille Land, schlägt den einen oder anderen Haken und nimmt sich Zeit für einen Bogen, dem mein Weg fast immer folgt. Nur ab und zu kommt mir ein anderer Radfahrer entgegen, Autos sehe ich fast den ganzen Tag nicht. Am anderen Ufer tauchen gelegentlich Häuser auf, davor Anleger mit Schiffen.
Mit der Prahmfähre über die Oste
Der Radwanderweg die Oste entlang ist Teil der Deutschen Fährstraße, die auf 134 Kilometern den Erfindungsreichtum von Menschen zeigt, die ein Gewässer überqueren müssen oder wollen (und deren Symbol mir immer wieder begegnet).
Eine der letzten von Hand betriebenen Fähren Deutschlands
Nach etwa einer Stunde komme ich zur ersten Fähre auf meinem Weg: einer kleinen Prahmfähre. Um in den Ort Gräpel überzusetzen, muss ich erst einmal eine Glocke schlagen und dann warten, bis der Fährmann sein Gefährt losgemacht und zu mir auf die andere Seite gebracht hat. Dabei zieht er die Fähre von Hand an einem Seil über den Fluss, die Prahmfähre in Gräpel ist eine der letzten von Hand betriebenen Fähren in Deutschland.
Der Betrieb läuft von Mai bis Mitte Oktober, im Winter wird die Fähre an Land gebracht und gewartet.
Heute nutzen vor allem Touristen das Angebot, um dann am anderen Ufer in der Gaststätte Zum Osteblick einzukehren. Auch ich wärme mich dort bei einem Mittagessen – hier gibt es vor allem zum schmuddeligen Wetter passende, kräftige Hausmannskost – wieder auf, bevor ich mich wieder auf den Weg mache und am rechten Oste-Ufer weiter zur nächsten Fähre radele.
Ein Roland mitten im Nirgendwo
Die befindet sich in Brobergen, knappe 7 Kilometer weiter nördlich. Vor dem Fähranleger am östlichen Ufer begrüßt mich zunächst ein Roland mit erhobenem Schwert und Schild mit dem rot-weißen Broberger Wappen. Eine Rolandstatue war im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ein weithin sichtbares Symbol für die Freiheit und Gerichtsbarkeit einer Stadt. Der berühmteste Roland steht in Bremen. Der hier in Brobergen ist deutlich kleiner, er ist nur aus Holz und er steht ein wenig im Nirgendwo der norddeutschen Tiefebene. Aber er symbolisiert die lange Geschichte dieses Landstrichs und seiner früheren Herren. Schon im 15. Jahrhundert stand hier ein Roland und zeigte an, dass die Herren von Brobergen frei waren und die hohe Gerichtsbarkeit ausübten, also über schwere Verbrechen urteilen und die Todesstraße aussprechen durften. So alt ist die Statue vor mir natürlich nicht, sondern eine Nachbildung.
Die Fähre in Brobergen ist eine motorisierte Prahmfähre und deutlich größer als das kleine Gefährt im Nachbarort Gräpel. Auf ihr überqueren nicht nur Touristen die Oste, auch Landwirte nutzen sie, um zu ihren Äckern am anderen Ufer zu kommen. Betrieben wird die Fähre ehrenamtlich von den sehr aktiven Mitgliedern des Broberger Fährvereins, die die mittlerweile denkmalgeschützte Fähre vor der geplanten Stilllegung retteten. Auch hier muss ich am östlichen Ufer klingeln, damit sich die Fähre auf den Weg macht. Am westlichen Ufer meldet man sich einfach im Fährhaus.
Hinter Brobergen beginnt es, aus den grauen, dicken Wolken, die schon den ganzen Tag über mir wabern, heftig zu regnen, und ich beeile mich, nach Hechthausen in mein Hotel und unter die Dusche zu kommen. Dennoch: Schön war’s auf dieser kurzen Tour!
#nachhaltigentdecken
Entlang der Oste 3 – von Cadenberge bis zur Mündung und Cuxhaven
Hallo Cordula, nun bin ich die Strecken in Teilzeit schon so viele Jahre oft gefahren, aber die Bedeutung des Roland’s in Brobergen hab ich nun von dir gelernt! Ich lebe in Stade und da ist die Oste und-um-zu mit dem Fahrrad zu erkunden ein „muss“. Herzlichen Dank an dich g und bald ist Hamburg an der Reihe: ich hab da so ein Buch gefunden… „Abseits der Pfade in Hamburg“ heisst es, glaub ich. Kann ich sehr empfehlen… Liebe Grüße Evelyn
Hallo, liebe Evelyn, es freut mich, dass dir der Text gefällt. Das Buch heißt „Hamburg abseits der Pfade“ und ist … von mir ;o))
Es ist übrigens gerade in der zweiten Auflage erschienen. Toll, dass du es weiterempfiehlst! Danke!
Beste Grüße
Cordula
Hallo Cordula,
wir wohnen in Geversdorf, direkt am Ostedeich und besitzen ein kleines Ferienhaus, auch direkt am Deich. Ich finde Deinen Bericht so großartig und so inspirierend, dass ich sehr gerne einen kleinen Ausschnitt davon auf die Seite des Ferienhauses kopieren würde. Wäre das für Dich in Ordnung?
Viele Grüße
Carola
Hallo, Carola,
vielen Dank für dein Lob – das freu mich sehr. Ich schreibe dir gleich eine Nachricht.
Liebe Grüße
cordula
Toll beschrieben, schade, daß ich diese Seite erst jetzt entdecke, nachdem ich mich wochenlang an der Oste rumgetrieben habe. Natürlich ohne Regen ;-). Das hier habe ich mitgebracht:https://youtu.be/dhcZyyZXTok
Was für ein schönes Video. Vielen Dank!
wunderbar beschrieben, danke für deinen Bericht. wozu in die Ferne…
Hallo, Anna,
vielen Dank. Es stimmt, Norddeutschland hat so viele schöne Ecken zu bieten …